Kategorie: | Vortrag + Diskussion |
Raum: | Studio 108 |
Ende: | Mi 27. September 2023 20:00 |
Mit rund 1,8 Millionen Arbeitnehmer*innen sind die christlichen Kirchen nach dem öffentlichen Dienst die größten Arbeitgeber*innen in Deutschland. Davon sind rund 1,4 Millionen in den Unternehmen der Wohlfahrtsverbände Diakonie und Caritas beschäftigt. Für sie alle gelten kirchliche Regeln, die ihre Rechte als Arbeitnehmer*innen einschränken.
Kirchliche Arbeitgeber*innen betreiben Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und -dienste, Einrichtungen der Behinderten- und Jugendhilfe, Rettungsdienste, Kitas u.a.m. Wie bei anderen Träger*innenn werden diese fast ausschließlich aus Steuermitteln und Sozialversicherungsbeiträgen finanziert. Sie konkurrieren mit nicht-konfessionellen Träger*innen um Klient*innen und Arbeitskräfte. Sie betreiben Tarifflucht und Outsourcing, nutzen Leiharbeit und sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse. Sie verhalten sich wie andere Arbeitgeber*innen, beharren aber auf Sonderregeln im Arbeitsrecht.
Der Austritt aus der Kirche ist ein Kündigungsgrund. Denn dann betätigen sich Beschäftigte nach Ansicht der Kirchen „kirchenfeindlich“. Ist ein Mensch aus der Kirche ausgetreten und möchte bei einem katholischen Arbeitgeber arbeiten, soll er gar nicht erst eingestellt werden. Wer sich in einer Weise äußert, die der katholischen Kirche missfällt, kann ebenfalls gekündigt werden.
Das staatliche Mitbestimmungsrecht nimmt kirchliche Einrichtungen aktuell aus. Es gelten weder das Betriebsverfassungsgesetz noch Personalvertretungsgesetze.
Für kirchliche Einrichtungen gilt keine Tarifautonomie. Tarifverträge können nicht einseitig durchgesetzt werden, sondern sind Ergebnis einer Einigung zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern. Was sie kollektiv regeln, hat eine unmittelbare und zwingende Wirkung. Kirchliche Regelungen sind hingegen keine Tarifverträge. Sie besitzen keine kollektive Wirkung, sondern wirken ausschließlich durch die Anwendung im einzelnen Arbeitsvertrag.
Die Regierungsparteien haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, diese vordemokratischen Regelungen zu „überprüfen“. ver.di führt jetzt Aktionswochen durch, um diesem Anliegen Nachdruck zu verleihen. Religionsfrei im Revier setzt sich grundsätzlich für die Abschaffung aller Kirchenprivilegien ein.
Ingrid Matthäus-Maier ist seit 2012 Sprecherin der Kampagmne Gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz - GerDiA.
Veranstaltet von ver.di Mittleres Ruhrgebiet, Religionsfrei im Revier und Bahnhof Langendreer. Eintritt frei.